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Voraussichtlich wollen Fatih Türk und sein Bruder Murat 2026 einen zweigruppigen Sportkindergarten eröffnen.
„Brühler Helden“ haben noch ganz viele Pläne
„Brühler Helden“ haben noch ganz viele Pläne
Fatih Türk leitet seit der Vereinsgründung ehrenamtlich die Sportund Bildungsschule „Kahramanlar - die Brühler Helden e.V.“

Aufregendes Gewusel herrscht auf dem langen Flur in dem lichtdurchflutenden Eingangsbereich der Sporthalle der „Brühler Helden“. Mittendrin ist die siebenjährige Jana, ihren weißen Anzug hat sie bereits angezogen, gleich beginnt die Taekwondo-Stunde. Seit einem Jahr nimmt die Schülerin an den Kampfsportkursen teil. Das Training macht ihr jede Menge Spaß. Sie hat aber noch eine weitere Motivation, hierhin zu kommen: „Wenn ich größer bin, möchte ich mich, wenn es drauf ankommt, verteidigen können.“ Auch Umut (5) ist seit gut einem Jahr dabei. Was macht dieser Sport für ihn aus? „Er macht mich einfach glücklich“, bringt es der junge Sportler spontan auf den Punkt. Auch Erwachsene mischen mit bei den „Brühler Helden“, so der 31-jährige Thomas aus Brühl. Er hat sich fürs Kickboxen entschieden: „Das Miteinander ist einfach wunderbar, die Atmosphäre ist sehr familiär, die Trainer sind sehr professionell ausgebildet und wissen, worauf es ankommt.“

Warum spielen nicht alle gemeinsam?

Worauf es ankommt, weiß auch Fatih Türk, der 2006 gemeinsam mit seinem Bruder Murat den Verein „Kahramanlar – Die Brühler Helden“ ins Leben rief. „Sein Baby“, wie der 38-Jährige stolz betont. Angefangen hat alles ganz klein im heimischen Garten in der Jordanstraße in BrühlOst: „Wir sahen aus dem Fenster auf die Straße wo kleine Gruppen Kinder und Jugendliche miteinander spielten. Araber, Syrer, Russen oder Deutsche, jede Gruppe für sich. Wir haben uns gefragt, warum spielen nicht alle gemeinsam?“ Also haben die beiden Brüder die Mädchen und Jungen zu sich in den Garten eingeladen und zusammen Sport gemacht: „Erst waren es 20, irgendwann waren es 80, fast wie in einer Kita“, erinnert sich Fatih Türk. Für die Nachbarn wurde das auf Dauer zu laut; das Ordnungsamt wurde gerufen und gab den engagierten sportlichen Brüdern den entscheidende Tipp, alles organisiert anzubieten.

"Wir machen keine Integration, wir leben sie"

Welten miteinander verbinden

Der gemeinsame Sport bringt Menschen unterschiedlicher Kulturen zusammen und schafft Selbstvertrauen. BILDER FES
Der gemeinsame Sport bringt Menschen unterschiedlicher Kulturen zusammen und schafft Selbstvertrauen. BILDER FES

Das war die Geburtsstunde des Sportvereins. Wichtig von Anfang an: Das faire, sportliche Miteinander von Kindern mit Migrationshintergrund und Deutschen. Das zeigt sich auch in dem Namen des Vereins. Ein syrischerJunge kam einmal mit einem SupermanT-Shirt zum Training, darauf stand „Kahramanlar“. Im orientalischen Sprachraum ein gebräuchlicher Ausdruck, um einen Helden zu bezeichnen. Der zweite Teil des Namens hieß folglich „Die Brühler Helden.“ Zwei Namen, mit denen beide Welten, die der Migranten und die der Deutschen, zusammengebracht werden, erläutert Fatih Türk. „Wir machen keine Integration, wir leben sie“, haben sich die Vereinsgründer auf die Fahnen geschrieben. „Das haben wir sehr, sehr gut geschafft, bei uns gibt es ein gutes Miteinander, egal ob Jude, Christ, Moslem oder Queer. Außerdem sind wir politisch neutral“, betont Faith Türk, dessen Familie ursprünglich aus der Türkei kommt. Daher weiß er auch, wie man Menschen unterschiedlicher Ethnien zusammenbringt und Konflikte löst. Und er weiß, mit welchen Problemen Menschen mit Migrationshintergrund konfrontiert werden: „Aufgrund meines Namens bin ich immer noch nicht in der Gesellschaft angekommen, obwohl ich hier geboren bin, meine Ausbildung gemacht habe und meine Steuern zahle.“ Mit „hier“ meint Fatih, der den Verein von Beginn an ehrenamtlich leitet, sein Geld bei einem Brühler Energieversorger als elektrotechnischer Leiter für Wärmeanlagen und elektrische Anlagen verdient, Brühl-Ost. Das ist ihm wichtig zu betonen. Denn im Gewerbegebiet Brühl-Ost steht auch die 1.000 Quadratmeter große Sporthalle, die der Verein 2019 eröffnen konnte. Dass der Verein die Halle ausgerechnet in Brühl-Ost bauen konnte, sei allerdings Zufall gewesen. „Nur dort war noch ein Grundstück im Stadtgebiet frei“, erzählt Türk. Angeboten wird bei den „Helden“ so ziemlich alles in Sachen Sport . Von Kampfsportarten über Fitnessübungen, Basketball, Eltern-Kind-Turnen, Kinderparcours bis hin zu Schwimmkursen. Und seit neuestem sogar Unterricht auf dem orientalischen Saiteninstrument Saz in Kooperation mit der Brühler Musikschule.

"Unsere Mitglieder haben den Verein durch die Corona-Zeit getragen"

Ausgzeichnetes Engagement

Die integrative Arbeit wurde mehrfach mit renommierten Preisen ausgezeichnet, etwa dem Brühler Integrationspreis, dem AOK-Förderpreis „Starke Kids“ oder dem „Regine-Hildebrandt-Preis“. Offiziell nennt sich der Verein Sport- und Bildungsschule, denn neben Sportangeboten werden beispielsweise auch Nachhilfekurse angeboten, aber auch kulturelle und kulinarische Angebote, um einander kennenzulernen. Viele ehrenamtliche Kräfte engagieren sich für den Verein. Und die Mitglieder sind es, die ihn tragen. Ein Jahr nach Eröffnung der Halle brach die Corona-Pandemie aus. 65 Prozent der Mitglieder zahlten ihre Beiträge weiter, obwohl keine Kurse angeboten werden konnten: „Das hat uns gerettet“, sagt Fatih Türk. Wer durch die weitläufigen Flure, Turnhallen und Räume geht, der spürt sofort den Duft von Naturholz in der Nase. Das hat einen Grund: „Bei allem, was wir tun, setzen wir auf Nachhaltigkeit, wir haben jeden Menge Holz verarbeitet und auf dem Dach gibt es eine Photovoltaikanlage.“ Damit kann der Verein seinen eigenen Strom produzieren.

"Verein finanziert Mitarbeiterinnen die Ausbildung zur Erzieherin"

Große Pläne für die Zukunft

Wandtattoo im Eingangsbereich der Sporthalle.
Wandtattoo im Eingangsbereich der Sporthalle.

Visionen für die Zukunft gibt es auch: 2022 kaufte der Verein ein angrenzendes Grundstück. Dort soll voraussichtlich ab 2026 ein zweigruppiger Sportkindergarten stehen, integriert in eine Halle mit weiteren Angeboten. Auch ein Lehrschwimmbecken ist geplant für Schwimmkurse für Babys und Kinder. Die Erzieher werden aus den eigenen Reihen kommen: „Wir finanzieren derzeit einigen Mitarbeiterinnen die Ausbildung zur Erzieherin mit der Verpflichtung, dass sie danach auch für uns arbeiten“, betont Türk. Der Bedarf an Angeboten des Vereins ist enorm. Derzeit haben die „Helden“ rund 1.700 Mitglieder. Irgendwann sollen es 5.000 sein: „Das Potenzial ist vorhanden, pro Abteilung haben wir Wartelisten zwischen 300 und 800 Kindern“, ist sich Türk sicher.