Spezialeinsatzkräfte stehen auf dem Bordstein vor einer Siegburger Schule.

Eilmeldung

Zeugen berichten von Schüssen: Amokalarm an Siegburger Schule

Abo
Login

Rundschau PLUS abonnieren

Zum Abo-Shop

Artikel teilen

Schriftgröße ändern

Artikel zur Merkliste hinzugefügt

Rückgangig

Artikel von der Merkliste entfernt

Sie folgen nun

Rückgangig

Sie folgen

Im Spannungsfeld der Interessen agieren: Teilnehmer des Runden Tischs Energie 2022 in Köln
Beim Runden Tisch Energie 2022 von "Kölner Stadt-Anzeiger" und Kölnischer Rundschau tauschten sich Führungskräfte aus unterschiedlichen Branchen zum Thema Energie als wirtschaftlicher Faktor aus
Im Spannungsfeld der Interessen agieren: Teilnehmer des Runden Tischs Energie 2022 in Köln
Im Spannungsfeld der Interessen agieren: Teilnehmer des Runden Tischs Energie 2022 in Köln
Sie trafen sich zum lebhaften Austausch: Teilnehmende und Gastgeber des Runden Tisches. Bild: Thomas Banneyer

Wie wirken sich die steigenden Energiepreise im Spannungsfeld von Energiewende, Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und politischer Akzeptanz aus? Diese Frage beleuchtete der Runde Tisch von „Kölner Stadt-Anzeiger" und Kölnischer Rundschau, der bei der Covestro AG zu Gast war. Die Runde moderierte Thorsten Breitkopf, Leiter der Wirtschaftsredaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger".

Nachfrage in Europa rückläufig

Gleich zu Beginn der Gesprächsrunde wies Dr. Klaus Schäfer, Technologievorstand der Covestro AG, darauf hin, dass die Produktion von Polymer-Werkstoffen in seinem Unternehmen besonders energieintensiv ist. „Wir haben einen sehr hohen Stromverbrauch, weil wir an sieben Standorten weltweit Chlor herstellen", zählt Dr. Schäfer auf. „Dieses Chlor brauchen wir, um unsere Produkte zu erzeugen.“ Darüber hinaus benötigt das Unternehmen Erdgas als Rohstoff, und um Dampf für die verschiedenen Prozesse zu generieren. ,,Unsere Energiekosten werden in diesem Jahr im Vergleich zu der Vorkrisen-Situation von 600 Millionen im Jahr 2020 auf mehr als 2,2 Milliarden Euro ansteigen“, erklärt er. Die Kosten konnte das Unternehmen im ersten Halbjahr noch zu größeren Teilen an seine Kunden weitergeben, in der zweiten Jahreshälfte ließ dies der Markt nicht mehr in diesem Umfang zu. Denn die Nachfrage hat sich vor allem in Europa deutlich abgeschwächt und damit auch die Margen. Dies führt er darauf zurück, dass unter anderem viele der Produkte inzwischen aus Saudi-Arabien, China und den USA nach Europa geliefert werden, während die Exportfähigkeit aus Europa heraus, zum Beispiel nach Nordafrika oder in die Türkei zurückgeht.

Betroffenheit ist unterschiedlich

Doch welche Einschätzung haben die Energieversorger zur Situation? Der SWK-Konzern gehört zu den größten kommunalen Konzerngesellschaften Deutschlands und verfügt auch über zahlreiche Beteiligungen an kleineren kommunalen Versorgern in der Region. Daher ist der Konzern auf allen Ebenen in der Kundenversorgung tätig - von der Industrie bis zum privaten Haushalt. „In Friedenszeiten hatte der SWK-Konzern zuletzt einen Umsatz von circa fünf Milliarden Euro, davon generierte die RheinEnergie 2,5 Milliarden Euro, jetzt haben sich die Umsätze verdoppelt. So sind wir gewissermaßen im Auge des Sturms", sagt Andreas Feicht, Vorstandsvorsitzender der RheinEnergie AG. Bei den Endkunden beobachtet Udo Sieverding, Bereichsleiter Energie bei der Verbraucherzentrale NRW, vor allem Verunsicherung. „Wir haben bereits viele Menschen in der Beratung, die Finanzierungsprobleme haben. Wir sind aber darauf vorbereitet, dass die Anfragen irgendwann durch die Decke gehen. Eventuell erreicht uns die große Welle mit der Nebenkostenabrechnung im Frühjahr“, prognostiziert Udo Sieverding. „Es sind unruhige Zeiten. Die Verdopplung, die sie bei der RheinEnergie im Umsatz haben, haben wir bei uns schon jetzt in der Beratungsnachfrage."

"Die Komplexität der Prozesse, die wir uns geschaffen haben, muss weg"

Ähnlich sieht es auch Dr. Simon Geisler, Leiter Key Account und Crossmedia der Kölner Stadt-Anzeiger Medien. „Das Thema Energie betrifft uns wie - alle anderen - natürlich auch. Wir arbeiten bereits heute sehr digital, aber noch nicht zu hundert Prozent. Insofern haben wir nicht nur Journalisten oder Mediaberater in unseren Reihen, sondern wir betreiben beispielsweise auch eine energieintensive Druckerei", erklärt Dr. Geisler. ,,Als Verlag befinden wir uns im Umbruch. Wir investieren sehr stark in unsere digitalen Geschäftsmodelle."

Wie sieht das ,,New normal" aus?

Auf die Frage wie existenzbedrohend die derzeitige Situation ist, entgegnete Dr. Schäfer: „Für uns ist es nicht existenzbedrohend, aber wir sehen in der Industrie insgesamt, dass Anlagen mit reduzierter Last gefahren werden oder ganz außer Betrieb genommen worden sind." Da er einen deutlichen Rückgang auf der Nachfrageseite spürt, kann er die Furcht vieler vor einer Rezession verstehen. „Bei der Frage, wann sich ein,New normal bei den Energieund Gaspreisen einstellt, gehen die Einschätzungen weit auseinander", so Dr. Schäfer. ,,Ich gehe davon aus, dass der Wert bei Gas von ursprünglich 20 Euro auf ein Niveau zwischen 40 und 60 Euro pro Megawattstunde steigen wird. Doch keiner weiß, wie lang dieses Tal der Tränen sein wird, durch das wir als Industrie und auch als Bevölkerung müssen.“ Für Andreas Feicht hängt davon ab, wie sich der Beschaffungsmix im Gas ab 2024 zusammensetzen wird. „Es ist deswegen so schwer zu prognostizieren, weil geostrategische Fragen dabei wichtig sind", erklärt er. So stellt sich für ihn vor allem die Frage, welche Rolle Russland auf Dauer in diesem Mix spielen wird. Je geringer der russische Anteil ist, der Pipeline-Gas genannt wird, umso größer muss der Anteil von verflüssigtem Erdgas, LNG, sein. Doch dieses Gas hat andere Grenzkosten als Pipeline-Gas. So wird sich nach seiner Einschätzung der Preis eher bei 70 Euro pro Megawattstunde einspielen. Dies geschieht aber nur, wenn langfristige Gasverträge abgeschlossen werden. Ansonsten muss am ,,Spot-Markt" eingekauft werden. Diese Märkte funktionieren so, wie Andreas Feicht ausführt, dass sich die mit Flüssiggas beladenen Schiffe den Hafen suchen, wo ihnen am meisten für ihre Ladung bezahlt wird. Dabei steigt und fällt der Preis in Abhängigkeit von der Temperatur. Das heißt, wenn es warm ist, besteht wenig Gasbedarf, die Speicher sind voll und der Preis ist sehr günstig. Dann warten die Schiffe vor den Häfen, bis der Preis wieder ein Niveau hat, bei dem sich die Auslieferung lohnt. ,,Wenn wir keine langfristigen Lieferverträge haben, sind wir daher immer in diesem ,Jo-Jo' der Preise und müssen mehr bezahlen als unsere Nachfrage-Konkurrenten", so Andreas Feicht. Dies sieht auch Garrelt Duin so. ,,Deshalb geht auch die Kritik an der langen Laufzeit des Katar-Deal komplett an der Realität vorbei. Das mag ja für manche eine bittere Kröte sein, aber genau jetzt müssen solch lange Lieferverträge geschlossen werden, da wir in zwei Jahren noch nicht auf die erneuerbaren Energien umstellen können", betont der HWK-Hauptgeschäftsführer. ,,Das hat aber auch mit der Schaffung von entsprechender Infrastruktur zu tun, die gerade in Rekordzeit in Norddeutschland mit den neuen LNG-Terminals geschaffen wird und die sich auch wieder amortisieren muss." Andreas Feicht weist noch auf ein anderes mögliches Szenario hin: „Ein weiterer unangenehmer Effekt ist, dass wir einen Kreislauf in der Welt erzeugen. Russisches Gas wird als LNG über die Ostseite transportiert, dort mit anderem LNG gemischt, das dann teurer zu uns kommt. Das heißt, wir werden am Ende doch russisches Gas bekommen."

Sparen hat viele Facetten

„Wir tun sicher die naheliegenden Dinge, wie unnötig brennende Lampen auszuschalten“, sagt Dr. Simon Geisler. „Das Problem der Medien im Allgemeinen ist, dass uns im klassischen Geschäft Papier- und Energiepreise stark betreffen. Die verursachen den Großteil der Kosten. Und diese Kosten können wir nicht an die Leserinnen und Leser oder die Anzeigenkunden durchreichen“, betont Dr. Geisler.

Die geladenen Führungskräfte diskutierten mit Vertretern von Kölner Stadt-Anzeiger Medien zum Thema Energie. Bild: Thomas Banneyer
Die geladenen Führungskräfte diskutierten mit Vertretern von Kölner Stadt-Anzeiger Medien zum Thema Energie. Bild: Thomas Banneyer

Udo Sieverding ist sich sicher, dass die Notwendigkeit zum Energiesparen bei den Endverbrauchern durchaus angekommen ist. Denn er beobachtet, dass dies allerorten das dominierende Gesprächsthema ist. „Beim Thema Photovoltaik bin ich überzeugt, dass es ein riesiges Konjunkturprogramm wird. Da stellt sich bei den derzeitigen Energiepreisen eine so schnelle Amortisation ein, dass mancher, der vielleicht noch aus ästhetischen Gründen gezögert hat, nun eine PV-Anlage für sein Dach haben möchte." Wird dadurch das Handwerk zum Profiteur der Situation? Dies sieht der HWK-Hauptgeschäftsführer nicht so und verweist darauf, dass es auch stark durch die Energiekosten „gebeutelte" Branchen im Handwerk gibt. „Keiner redet zum Beispiel von den großen Textilreinigern, die die Wäsche für Krankenhäuser säubern. Diese Branche ist systemrelevant. Denn ist die Wäsche im Krankenhaus nicht sauber, hat jede Gesellschaft ein Problem", so Garrelt Duin. ,,Auch wenn die meisten Firmen schon auf die neuesten Waschmaschinen umgestiegen sind und eine intrinsische Motivation haben, zu sparen, gehen diese Unternehmen gerade am Stock." Er sieht bei anderen Gewerken ihre entscheidende Aufgabe für die Zukunft. ,,Das ganze Thema der Klimaund Energiewende wird ohne das Handwerk nicht funktionieren. Wir können zwar ungelernte Trupps auf die Dächer schicken, um PV-Anlagen zu installieren, aber am Ende muss einer kontrollieren, ob alles sauber und ordentlich gemacht wurde", sagt Garrelt Duin. ,,Das wird nicht ohne einen Handwerksmeister gehen, der mit seiner Unterschrift dafür auch geradesteht. Ich kenne Handwerksbetriebe, die diese Arbeitsteilung bereits als Geschäftsmodell verfolgen und den Monteuren als nachgelagerte Dienstleister deutschlandweit hinterherreisen."

Strompreis-Bremse als Heilmittel?

„Wir brauchen in der aktuellen Energiekrise schnelle und unbürokratische Lösungen, die den industriellen Kern und die Lieferketten unseres Landes schützen", findet Dr. Schäfer. ,,Mit den aktuellen Vorschlägen zur Ausgestaltung der Stromund Gaspreisbremse sind wir weit davon entfernt. Die Anforderungen aus EU und Haushaltsausschuss bringen Unsicherheit und sind große Hürden für die Inanspruchnahme. Hier muss dringend nachgebessert werden. Sonst droht der gewünschte Effekt zu verpuffen." Andreas Feicht findet es zunächst richtig, dass die Politik für die Unternehmen und Bürger diesen „Energiepreis-Schock" abmildern möchte. ,,Denn diese extremen Steigerungen sind ja nicht das Ergebnis von Klimapolitik oder anderem, sondern das Resultat eines Krieges und damit einer dramatischen Verknappung des Angebotes von Energie", sagt Andreas Feicht. Daher muss - nach seiner Meinung - die Politik auf verschiedenen Feldern gleichzeitig handeln, und das unter einem großen politischen Erwartungs- und Zeitdruck: ,,Dabei können Fehler passieren, denn das sind alles Menschen, die unter großer Anspannung Entscheidungen treffen müssen." Allerdings findet er, dass an zwei Stellen Kritik geübt werden muss. ,,Einerseits ist zwischen der politischen Entscheidung zu handeln und den Gesetzesentwürfen zu viel Zeit vergangen. Zum anderen wird dieser noch nicht abgeschlossene Vorgang noch komplexer gemacht, weil man die Mitnahmeeffekte mancher Unternehmen minimieren, sprich die erheblichen Gewinne abschöpfen möchte", sagt Andreas Feicht. „Politisch verstehe ich das Ziel total. Die Bundesregierung ist durch den Versuch, alles in den Entwurf aufzunehmen, aber gerade dabei, ein System zu schaffen, das am Ende das Ziel nicht erreichen wird."

"Beim Thema Photovoltaik bin ich überzeugt, dass es ein riesiges Konjunkturprogramm wird"

Bürokratiearme Lösungen gewünscht

Udo Sieverding meint, dass der größte Fehler bei der Preisbremse nicht in den letzten zwei Monaten gemacht worden ist, sondern im halben Jahr davor: ,,Denn nach den beiden Entlastungspaketen im Februar und März haben wir die Zeit mit Diskussionen um den Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket verplempert. Dabei war abzusehen, wie sich die Gaspreise entwickeln und was das für Verbraucher und Industrie bedeutet." Bei dem vieldiskutierten Verfahren der Rückvergütung an die Verbraucher glaubt er an simple Wege. ,,Aus Verbrauchersicht hätte es eine relativ einfache Lösung geben können. Denn nachdem die Preissteigerung in den Haushalten angekommen wäre, hätte sich der Einspareffekt automatisch eingestellt", so Udo Sieverding. ,,Dann hätte man über die Steuer-ID und Kontonummer eine Pro-Kopf-Rückverteilung machen können, die zusätzlich noch über die Einkommenssteuer zu lenken gewesen wäre. Das wäre vergleichsweise zielgerichtet und bürokratiearm gewesen."

Die Krise als Booster

„Ein Teil der Verbraucher wird sich in zehn Jahren sicher daran erinnern, dass sie sich jetzt über eine neue Heizung, Wärmedämmung oder eine Fotovoltaik-Anlage Gedanken gemacht haben", glaubt Udo Sieverding.,,Andere werden diese Krise als persönliche Zeitenwende erlebt haben. Ich glaube, dass wir als Bürger künftig ertragen müssen, dass sich das Landschaftsbild verändert. Daher müssen wir jetzt unsere Denkmuster auf den Prüfstand stellen. Denn es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe von Gewerkschaften, Industrie und Zivilgesellschaft, konsequent die erneuerbaren Energien auszubauen." Dr. Schäfer hofft darauf, dass aus der Krise gelernt wird: „Ich würde mir wünschen, dass wir den Pragmatismus und die Geschwindigkeit bei Genehmigung und Bau von LNG-Terminals, die wir im Moment sehen, auch auf den Rest der Industrie übertragen können. Diese Komplexität der Prozesse, die wir uns geschaffen haben, muss weg." Tatkraft vermisst Andreas Feicht. ,,Wir kommen nur durch diese Krise, wenn sich Deutschland zurückbesinnt auf seine Tugenden. Denn nach dem 2. Weltkrieg oder in der Zeit nach dem Fall der Mauer wurden die Ärmel hochgekrempelt. Es wurden auch Kompromisse gemacht und nicht alles absolut gesetzt", so Andreas Feicht. ,,Das haben wir verloren, weil es uns gut ging. Deswegen mache ich mir große Sorgen. Ich bin optimistisch, weil wir neue Technologien, die Fähigkeiten und das Kapital haben, aber ob wir den Willen haben, kann ich momentan nicht erkennen." Claudia Wingens

DER RUNDE TISCH

Der Runde Tisch ist eine Veranstaltung der Kölner Stadt-Anzeiger Medien. Regelmäßig bitten, Kölner Stadt-Anzeiger" und ,,Kölnische Rundschau" Spitzenvertreter verschiedener Wirtschaftszweige und Institutionen zum informellen Austausch. Die Gesprächsrunden finden zu überregionalen und lokalen Themen statt.

DIE TEILNEHMER DES RUNDEN TISCHES

Bild: Thomas Banneyer
Bild: Thomas Banneyer

Garrelt Duin

Hauptgeschäftsführer, Handwerkskammer zu Köln




Bild: Thomas Banneyer
Bild: Thomas Banneyer

Andreas Feicht

Vorstandsvorsitzender, RheinEnergie




Bild: Thomas Banneyer
Bild: Thomas Banneyer

Dr. Simon Geisler

Leiter Key Account und Crossmedia, Kölner Stadt-Anzeiger Medien



Bild: Thomas Banneyer
Bild: Thomas Banneyer

Udo Sieverding

Bereichsleiter Energie, Verbraucherzentrale NRW




Bild: Thomas Banneyer
Bild: Thomas Banneyer

Dr. Klaus Schäfer

Vorstand für Technologie, Covestro AG