YPE html> Der Runde Tisch „Arbeiten im öffentlichen Dienst": ,,Wir sorgen dafür, dass der Laden läuft" | Kölnische Rundschau
Spezialeinsatzkräfte stehen auf dem Bordstein vor einer Siegburger Schule.

Eilmeldung

Zeugen berichten von Schüssen: Amokalarm an Siegburger Schule

Abo
Login

Rundschau PLUS abonnieren

Zum Abo-Shop

Artikel teilen

Schriftgröße ändern

Artikel zur Merkliste hinzugefügt

Rückgangig

Artikel von der Merkliste entfernt

Sie folgen nun

Rückgangig

Sie folgen

Ein Gespräch über Beständigkeit und Flexibilität, Papiertiger und Künstliche Intelligenz, Vorurteile und Nachhaltigkeit, „Shadow Days” und Entwicklungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst.
Der Runde Tisch „Arbeiten im öffentlichen Dienst": ,,Wir sorgen dafür, dass der Laden läuft"
Der Runde Tisch „Arbeiten im öffentlichen Dienst": ,,Wir sorgen dafür, dass der Laden läuft"
Doppelte Premiere: Der Runde Tisch „Arbeiten im öffentlichen Dienst" fand zum ersten Mal statt... Bild: Thomas Banneyer

„Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Kölnische Rundschau" luden Vertreterinnen und Vertreter des öffentlichen Dienstes zum Runden Tisch. Tobias Spickenheuer, Referent Recruiting & Employer Branding bei den Abfallwirtschaftsbetrieben Köln GmbH, Heike Schöpplein, Referatsleiterin für Personalgewinnung beim Bundesverwaltungsamt, Sarah Pesch, Regierungsbeschäftigte für Personalwerbung beim Polizeipräsidium Köln, Jörg Botti, Mitglied der Geschäftsführung bei der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse, und Jürgen Becker, stellvertretender Vorstand bei den Stadtentwässerungsbetrieben Köln, folgten der Einladung in die ,,WorkStAge" im Neven DuMont Haus. Den Runden Tisch ,,Arbeiten im öffentlichen Dienst" moderierte Thorsten Breitkopf, Leiter der Wirtschaftsredaktion des ,,Kölner Stadt-Anzeiger".

Sicherheit und Sinnhaftigkeit

...und erstmals überhaupt tagte der Runde Tisch in den Räumen der ,,WorkStAge" im Neven DuMont Haus. Bild: Thomas Bannewer
...und erstmals überhaupt tagte der Runde Tisch in den Räumen der ,,WorkStAge" im Neven DuMont Haus. Bild: Thomas Bannewer

Was den öffentlichen Dienst ausmacht? Das sind insbesondere zwei Dinge, sagt Jörg Botti: Sicherheit und eine sinnvolle Tätigkeit. Beides hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. ,,Die Leute haben durch Corona und Lockdowns gesehen, dass es im öffentlichen Dienst Probleme nicht gab, die andere hatten.“ Die Sorge, den Arbeitsplatz zu verlieren, sei Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst erspart geblieben. Auch bekomme es für Menschen eine immer größere Bedeutung, eine sinnstiftende Tätigkeit auszuüben, sagt Tobias Spickenheuer: „Inzwischen ist fast allen Bewerberinnen und Bewerbern das Thema Nachhaltigkeit als eines der Hauptargumente für eine Bewerbung und Anstellung bei der AWB wichtig." Der öffentliche Dienst übernehme spezielle Aufgaben, die die Privatwirtschaft nicht in der notwendigen Qualität und mit der geforderten Sicherheit leisten könne, sagt Jürgen Becker: ,,Uns geht es um Zuverlässigkeit und Dauer, nicht um Profit, nicht um Stakeholder-Befriedigung." Sarah Pesch beschreibt es so: ,,Wir sind für das Allgemeinwohl zuständig." Und die Sicherheit der Jobs äußere sich auch in finanzieller Hinsicht: durch nahezu unkündbare, sehr transparente Tarifverträge. Heike Schöpplein ergänzt: Unterschiede bei der Bezahlung der Geschlechter, der sogenannte Gender-Pay-Gap, seien in der Branche kein Thema. Und sie fasst zusammen: „Wir sorgen dafür, dass der Laden Deutschland läuft."

Herausforderung demografischer Wandel

Eigentlich alle Branchen leiden unter Fachkräftemangel und haben Probleme, ihre Stellen zu besetzen, gerade in den technischen Berufen. Auch der öffentliche Dienst. Reicht in diesem Zusammenhang die zugesagte Sicherheit als Argument aus, um den Nachwuchs zu begeistern, wenn der weiß: Auf absehbare Zeit finde ich im Zweifel ohne große Probleme einen neuen Job? Heike Schöpplein sagt, das Bundesverwaltungsamt stehe vor den zentrale Fragen: ,,Wie begegnen wir den Herausforderungen der Personalgewinnung durch den demografischen Wandel und Fachkräftemangel und wie stellen wir uns zukunftsfähig auf?" Sarah Pesch formuliert es so: ,,Wir sitzen alle im gleichen Boot des demografischen Wandels. Wir wollen vor die Lage kommen, wie man bei der Polizei sagt, und nicht der Entwicklung hinterherlaufen."

>> Wir müssen rationalisieren auf Teufel komm raus

Tobias Spickenheuer beschreibt, wie die Abfallwirtschaftsbetriebe gegen die freie Konkurrenz zu überzeugen wissen. Die meisten Stellen bekomme man durchaus noch gut besetzt, weil viele Kolleginnen und Kollegen positiv über ihre Tätigkeit sprechen und andere Mitarbeitende werben. ,,Darüber hinaus bieten wir attraktive Entwicklungsmöglichkeiten." So könne man sich auf der unternehmenseigenen Fahrschule zum Berufskraftfahrer ausbilden lassen. Auch 39-Stunden-Woche und attraktive Arbeitszeiten seien für viele ein Plus: Wer für die AWB fährt, hat teils schon gegen 15 Uhr Feierabend und dann Zeit für Familie, Freunde und Hobbys. Aufträge bei privaten Arbeitgebern ziehen sich teilweise über Tage und Wochen. ,,Und die LKW-Fahrerinnen und -Fahrer verdienen nicht mehr als bei uns." Jürgen Becker skizziert die Zukunft so: ,,Wir haben in Deutschland etwa 46 Millionen Erwerbstätige. In den nächsten sieben Jahren gehen sieben Millionen mehr in den Ruhestand, als dass neue hinzukommen." Bis 2030 gingen 15 Prozent der Erwerbstätigen verloren, daher sei - soll weiterhin die gleiche Arbeit geleistet werden - auch 15 Prozent des Personals eingespart werden. „Wir müssen also rationalisieren auf Teufel komm raus." Man müsse nicht nur gut recruiten, sondern auch massivst an den Prozessen arbeiten. Ein Ansatz sei es, Künstliche Intelligenz einzusetzen. Bei manuellen Verwaltungsprozessen werde die KI dann flächendeckend bestimmte Berufsbilder mehr oder minder ablösen. „Es funktioniert, man muss es nur machen."

Die Absprungquote steigt

Heike Schöpplein vom Bundesverwaltungsamt und Sarah Pesch vom Polizeipräsidium Köln Bild: Thomas Banneyer
Heike Schöpplein vom Bundesverwaltungsamt und Sarah Pesch vom Polizeipräsidium Köln Bild: Thomas Banneyer

„Man hat Jörg Botti beschreibt eine Entwicklung vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt: manchmal im Vorstellungsgespräch das Gefühl, dass man sich als Arbeitgeber bewirbt. Man muss allerdings nach Aufgabenbereichen differenzieren." Im Bereich der Verwaltungstätigkeit gelinge es durchaus noch, die jungen Leute zu erreichen. Allerdings sei die Absprungquote gestiegen: 2022 seien etwa von den Abiturientinnen und Abiturienten, die frühzeitig ihren Vertrag unterschrieben hatten, in den sechs bis neun Monaten vor ihrem ersten Tag mehr als 40 Prozent abgesprungen. „Und diese Tendenz sehen wir auch in anderen Bereichen des öffentlichen Diensts." Deutlich schwieriger noch sei es in den Bereichen IT und Technik: ,,Da müssen wir strampeln - und kriegen nicht immer alle Stellen besetzt." Auch Heike Schöpplein beschreibt besondere Probleme in der Informationstechnik: „Wir brauchen größtenteils Menschen, die die Anforderungen einer gesetzlichen Grundlage in fachliche Anforderungen für ein IT-System übersetzen und umfangreiche IT-Projekte managen können. Bewerbende zu finden ist nicht so einfach, weil man immer erklären muss, was sich hinter unseren Aufgaben verbirgt." Um Leute anzusprechen, sei man verstärkt in den Sozialen Medien unterwegs. Beispielsweise drehe man dazu sogenannte Elevator-Pitches: In den Filmchen, die per Livestream über Youtube ausgestrahlt werden, erklären Mitarbeitende ihre Aufgaben innerhalb von einer Minute. Berufsgenossenschaften sind als Arbeitgeber nicht bei allen jungen Leuten bekannt, sagt Jörg Botti. Sein Haus setze deshalb auf Instagram, Linkedin und andere Onlineplattformen. ,,Außerdem gehen wir auf Ausbildungsmessen, vor ein paar Monaten waren wir beim Speeddating format am Schokoladenmuseum.“ Auf KVB-Bahnen und an U-Bahn-Haltestellen mache man Werbung. „Wir haben festgestellt: Wenn wir einmal im Kontakt zu den Leuten sind, können wir Interesse wecken."

Zugang für Quereinsteiger

Eine weitere Möglichkeit, Interesse zu wecken, ist es, auch Menschen den Zugang zum öffentlichen Dienst zu ermöglichen, die bislang in anderen Berufszweigen tätig waren. Aber als Quereinsteiger zur Polizei? ,,Klar können Sie als Quereinsteiger zur Polizei gehen!", sagt Sarah Pesch. ,,Ich bin als Eventmanagerin reingekommen." In der Öffentlichkeitsarbeit sind studierte Journalisten tätig. Andererseits werden dort Polizeivollzugsbeamte eingesetzt, die journalistische Arbeit machen, weil sie entsprechende Fortbildungen gemacht haben. Das Personal sei bunt gemischt, schließlich dürfe man nicht nur an Beamte in Uniform denken: ,,Wir brauchen Finanzexperten, die an der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität mitarbeiten. Wir brauchen Forensiker, Polizeiärzte, Chemiker für die Spurensicherung.“ Es gebe viele spezielle Bereiche, in die man einsteigen könne. „Aber das ist vielen nicht bekannt - und das ist unser Problem." Insgesamt werde die Polizei als Arbeitgeber unterschätzt: „Die meisten gucken nur vor die Uniform und übersehen, was alles im Hintergrund passiert."

Berufserfahrung gesucht

,,Auch wir stellen Quereinsteigende ein", sagt Heike Schöpplein. In der Regel werde bislang eine Ausbildung im verwaltungs- oder kaufmännischen Bereich vorausgesetzt, der Abschluss eines Bachelor- oder Diplomstudienganges in Rechts- und Wirtschaftswissenschaften oder den MINT-Studiengängen. Da der Markt die Menschen mit einschlägigen Verwaltungskenntnissen aber nicht mehr in ausreichender Zahl hergibt, wären für die Zukunft Zugangserleichterungen denkbar: ,,Von Quereinsteigenden wird irgendein Studienabschluss erwartet, aber kein einschlägiges Studium mehr. Und dann muss man intern durch Fortbildungen für die Erledigung seiner Aufgaben befähigt werden." Klassische Quereinsteiger seien bei ihnen im Präventionsbereich gefragt, sagt Jörg Botti: ,,Weil wir da Ingenieure und Techniker mit Berufserfahrung suchen, die für uns Beratung und Aufsicht in Betrieben durchführen." Besonders flexibel sei man im IT-Bereich: „Da kann man bei uns auch erstmal ein Praktikum machen und dann schauen wir: Könnte das was werden?"

Fürs Leben ausgesorgt?

Tobias Spickenheuer von den AWB Köln und Jörg Botti von der Berufsgenossenschaft ETEM Bild: Thomas Banneyer
Tobias Spickenheuer von den AWB Köln und Jörg Botti von der Berufsgenossenschaft ETEM Bild: Thomas Banneyer

Wer sich verbeamten lässt, hat – so zumindest das Gefühl - fürs Leben ausgesorgt. Der Job ist sicher. Man ist privat krankenversichert, das Nettogehalt ist höher als das von Angestellten, da keine Abzüge für Arbeitslosen- und Rentenversicherung zu entrichten sind. Aber längst nicht alle, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, sind Beamte. Und das Image der Branche ist traditionell nicht das beste. ,,Von außen werden wir immer noch als rückständig betrachtet", sagt Jürgen Becker. Das sähen viele Bewerber am Anfang so. ,,Wenn sie dann mal bei uns waren, dann sieht das schon anders aus. Wir sind autark und tun alles, um wirtschaftlich zu arbeiten - so wie es Privatunternehmen auch machen." Tobias Spickenheuer sagt: „Das Image der AWB nehme ich als sehr positiv wahr." Als kürzlich gestreikt wurde, hätten sofort Freunde angerufen und gesagt: ,,So dreckig hab ich es in der Innenstadt noch nie gesehen." Es falle zwar nicht immer auf, was die Kolleginnen und Kollegen leisten. „Aber wenn die Arbeit mal ausfällt, ist es sofort zu spüren." ,,Den Reflex, Die Beamten, die tun nichts gibt es zwar noch", so erlebt es Jörg Botti. „Aber in der Wahrnehmung ändert sich da was." Sarah Pesch sieht das Image des öffentlichen Dienstes sogar als Vorteil. Gerade im Ausland sei man hochangesehen: ,,Global betrachtet, sollten wir stolz darauf sein, was der öffentliche Dienst hier immer noch bedeutet. Das ist ein Zukunftsthema: Uns fehlen die Arbeitskräfte, wir brauchen eine Nettozuwanderung. Also sollten wir uns mit dem öffentlichen Dienst noch attraktiver aufstellen." Heike Schöpplein findet, die Vorzüge seien nicht immer sofort ersichtlich. ,,Aber spätestens auf den zweiten Blick können wir als attraktive Arbeitgeber mithalten.“

>> In der Wahrnehmung ändert sich was

Mehr Homeoffice durch Corona

Attraktiv finden es viele Berufstätige, auch von zu Hause aus arbeiten zu können. Da ist der öffentliche Dienst keine Ausnahme. In den vergangenen Jahren hat sich viel getan. ,,Corona war auch bei uns der Treiber, der das mobile Arbeiten vorangebracht hat", sagt Tobias Spickenheuer. Überall sei es nicht praktikabel. „Aber in der Verwaltung bieten wir die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten für alle Berufe an: bis zu 60 Prozent sind möglich." Bei ihnen waren früher schon 40 Prozent Homeoffice drin, sagt Jörg Botti. ,,Und zu Coronazeiten konnten alle komplett von zu Hause aus arbeiten." Aktuell seien bei der BG ETEM bis zu 60 Prozent möglich. Ein gemischtes Modell hält er für das Beste: ,,Wenn die Leute sich persönlich gar nicht mehr sehen, geht schon viel verloren. Der soziale Kitt, der Zusammenhalt ist wichtig." Auch das informelle Gespräch an der Kaffeemaschine sei wichtig, um gemeinsam Ideen zu entwickeln. Jürgen Becker erinnert daran, dass es mit der Digitalisierung nicht überall rund lief und läuft: ,,Wir reden so selbstverständlich vom Homeoffice. Dafür brauche ich aber auch digitale Strukturen. Und die sind im öffentlichen Dienst vielfach nur rudimentär vorhanden." Corona habe der Digitalisierung zwar einen deutlichen Schub gegeben. „Aber nach wie vor wird der Papiertiger gefüttert."

Digitalisierung dauert

Jürgen Becker, Stadtentwässerungsbetriebe Köln Bild: Thomas Banneyer
Jürgen Becker, Stadtentwässerungsbetriebe Köln Bild: Thomas Banneyer

Homeoffice sei prinzipiell auch bei der Polizei möglich, sagt Sarah Pesch - ,,aber nicht immer einfach." Eine Hundertschaft gehe natürlich nicht mit dem Heimarbeitsrechner nach Hause. Bei der Verwaltung, dem Apparat dahinter, sei das aber anders. ,,Da sind inzwischen 50 Prozent Homeoffice möglich - erst mal als Pilotprojekt." Erschwert wurde die Umstellung unter anderem durch die polizeilichen Sicherheitsstrukturen: „Wir können uns nicht einfach ins W-Lan einloggen, wir müssen im Polizeinetzwerk arbeiten." Der Wille zur Digitalisierung sei durchaus da, ,,es braucht nur manchmal ein bisschen mehr Zeit." Auch Heike Schöpplein beschreibt eine „heterogene Situation" beim BVA. Bei der Poststelle, beim inneren Dienst, dem Facility-Management und in Teilbereichen der öffentlichen Sicherheit sei an Homeoffice zwar nicht zu denken. Aber wenn die persönlichen und arbeitsplatzbezogenen Voraussetzungen vorlägen, sei je nach Absprache zwischen 40 und 80 Prozent Arbeit in Remote möglich. ,,Ich selbst habe meinen Telearbeitsplatz schon seit 2007. Inzwischen arbeiten wir auch an Desksharing-Modellen."

Die Generation Z

Die Zeit der sogenannten Generation Z ist angebrochen. Das sind Menschen, die in den 1990er oder Anfang der 2000er Jahre geboren wurden und denen - vereinfacht gesagt - die Karriere weniger wichtig ist als eine klare Trennung von Privatleben und Beruf. ,,Es gab einen Prioritätenwechsel. Work-Life-Balance und Work-Familiy-Balance ist der jungen Generation schon wichtiger", stellt Sarah Pesch fest. „Das Materielle hat nicht mehr den hohen Stellenwert." Heike Schöppleins Erfahrung ist: ,,Schnell wird nach flexiblen Arbeitszeiten gefragt. Weitgehende Homeoffice-Regeln sind da die richtigen Benefits.“ „Meine Erfahrungen mit der Generation Z sind durchweg positiv", sagt Tobias Spickenheuer. ,,Ich nehme das gar nicht so wahr, als würden die sagen: ,Ich will nur vier Tage arbeiten - und gebt mir 100.000 Euro Einstiegsgehalt."" Statt übertriebener Forderungen bemerkt er „tolle Synergieeffekte" zwischen den jungen Leuten mit ihrer Offenheit für die Digitalisierung und denen, die seit 20 oder 30 Jahren bei der AWB sind. Die saugen unglaublich viel von einander auf. Die jüngere Generation lernt sehr viel - aber umgekehrt genauso." Allerdings dürfe man sich nichts vormachen: ,,30, 40 Jahre im selben Betrieb, das wird bei der jungen Generation auf Dauer nicht mehr so sein." Jörg Botti beklagt im IT-Bereich der Berufsgenossenschaft eine ,,hohe Durchlässigkeit": Die gut ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen seien halt sehr gefragt. ,,Allerdings kommen sie manchmal auch zu uns zurück, weil wir gute Arbeitsbedingen bieten." Im Kernbereich, der Verwaltung, sei die Fluktuation meist weniger ausgeprägt. ,,Das hat auch damit zu tun, dass die Mitarbeiter sich bei uns wohlfühlen. Und generell würde ich gar nicht sagen, dass der öffentliche Dienst schlechter zahlt als die Wirtschaft." Sarah Pesch erinnert daran, dass man nicht vergessen dürfe, wie wichtig Familie und Freunde für die Generation Z seien. „Daher sind die Familien bei unseren Ausschreibungen immer die Sekundärzielgruppe." Man sei nicht nur auf Tiktok unterwegs, sondern auch da, wo die sind, die die Zielgruppe primär beeinflussen, also beispielsweise bei Facebook. Die eigenen Mitarbeitenden seien übrigens die authentischsten Werbeträger. Daher bietet die Polizei Eintagespraktika an, sogenannte Shadow Days: In der Zeit ihrer Berufsorientierung begleiten Kinder und Jugendliche eine Kollegin oder einen Kollegen, entweder auf der Wache oder in der Verwaltung. Heike Schöpplein berichtet: „Wir werben jetzt frühzeitig mit Insights aus dem Amt, mit Storys von Mitarbeitenden. Wie tickt denn mein Team, wie und wo arbeite ich - das wollen die jungen Leuten wissen, bevor sie ihren Dienst antreten." Bei den Zugangsvoraussetzungen beschreibt Jürgen Becker einen grundlegenden Unterschied: Im Verwaltungsbereich sei der Betrieb sehr durchlässig: „Da kann ich als Azubi anfangen und als Vorstand enden. Im technischen Bereich ist das nicht so, da braucht man ein abgeschlossenes Studium." Das sei ,,eine Imbalance, die man ab einer bestimmten Gehaltsklasse auflösen" müsse. Jörg Botti findet: ,,Starre Laufbahngruppenvoraussetzungen und Stellenpläne, das passt nicht zu wachsender Flexibilisierung. Da müsste was passieren."

>> Die Familien sind immer unsere Sekundärzielgruppe

Jobs, die überraschen

Die letzte Frage am Runden Tisch: Was sind die exotischsten Jobs, die die Organisationen anbieten - oder wenigstens die, die Außenstehende am meisten überraschen? Für die AWB arbeiten Detektive. Mülldetektive, die wilde Deponien untersuchen, um Müllferkel zu überführen. Und es gibt pädagogische Fachkräfte, die etwa in die Schulen gehen. Sie bringen Kindern das Thema Nachhaltigkeit näher und zeigen ihnen, wie man Müll trennt. ,,Eine Besonderheit der gesetzlichen Unfallversicherung ist die persönliche Betreuung der Versicherten durch die Berufsgenossenschaft", sagt Jörg Botti. ,,Unsere Reha-Manager fahren raus ans Krankenbett und planen die Rehabilitation im Gespräch mit Versicherten, Ärzten und weiteren Leistungserbringern." Heike Schöpplein weiß zu berichten: „Wir entsenden Mitarbeitende nach Mumbai und Peking, die dort im Bereich des Visaverfahrens tätig sind." Jürgen Becker berichtet von einem sehr modernen Labor im Klärwerk Stammheim, in dem Abwasserproben untersucht werden. „Wir müssen eine gewisse Reinheit des Wassers sicherstellen, das in den Rhein fließt." Außerdem spannend sei es, dass man die Tageszeit herausfinden könne, indem man in den Kanal steigt: Morgens schwämmen dort deutlich mehr feste Fäkalien und Präservative als tagsüber und abends. Und Sarah Pesch gibt weitere Beispiele dafür, wie bunt die Jobpalette bei der Polizei in NRW ist: „Wir beschäftigen unter anderem Waffenmechaniker, Tierpfleger für die Hunde- und Pferdestaffeln sowie Berufsmusiker fürs Polizeiorchester."

Markus Düppengießer

DER RUNDE TISCH

Der Runde Tisch ist eine Veranstaltung der Kölner Stadt-Anzeiger Medien. Regelmäßig bitten, Kölner Stadt-Anzeiger" und „Kölnische Rundschau" Spitzenvertreter verschiedener Wirtschaftszweige und Institutionen zum informellen Austausch. Die Gesprächsrunden finden zu überregionalen und lokalen Themen statt.

DIE TEILNEHMER DES RUNDEN TISCHES

Bild: Thomas Banneyer
Bild: Thomas Banneyer

,,Die hohen Mieten stellen für uns ein großes Problem dar, gerade in Köln"

Jürgen Becker
stellv. Vorstand und Geschäftsbereichsleiter Management, Stadtentwässerungsbetriebe Köln (StEB)

Bild: Thomas Banneyer
Bild: Thomas Banneyer

,,Die Menschen suchen abwechslungsreiche Tätigkeiten. Und die können wir bieten"

Jörg Botti
Mitglied der Geschäftsführung, BG ETEM

Bild: Thomas Banneyer
Bild: Thomas Banneyer

,,Meine Waffen sind Fachwissen, Stift, Papier - und Social Media"

Sarah Pesch
Regierungsbeschäftigte für Personalwerbung, Polizeipräsidium Köln

Bild: Thomas Banneyer
Bild: Thomas Banneyer

,,Wir sind der Dienstleister des Bundes - und übernehmen dabei 150 Aufgaben"

Heike Schöpplein
Referatsleiterin für Personalgewinnung, Bundesverwaltungsamt (BVA)

Bild: Thomas Banneyer
Bild: Thomas Banneyer

,,Müll wird es in Köln voraussichtlich immer geben"

Tobias Spickenheuer
Referent Recruiting & Employer Branding, AWB Abfallwirtschaftsbetriebe Köln GmbH